Verband
PM Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten fordert: Keine Digitalisierung zulasten einer guten Versorgung vor Ort!
Berlin, 20.07.2023. Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten, bvvp, sieht die im Referentenentwurf zum Digitalisierungsgesetz angedachte Aufhebung der Begrenzung der Videosprechstunden kritisch und mahnt eine sorgfältige Prüfung dieses Gesetzesvorhabens an.
Videogestützte Behandlungen können in gut begründeten Ausnahmefällen, wie bei eingeschränkter Mobilität von Patient*innen, bei Fortführung einer Behandlung während eines Auslandsaufenthalt von Patient*innen oder bei einem für immunschwache Menschen gefährlichem Infektionsgeschehen eine wertvolle Option sein. Gleichzeitig muss in der Psychotherapie die face-to-face-Behandlung vor Ort weiterhin der Goldstandard sein. Die in der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer formulierte Forderung, dass Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung die Anwesenheit der Patient*innen erfordern, unterstreicht die Wichtigkeit, diese in der persönlichen und leibhaftigen Begegnung kennenzulernen.
“Wir sprechen uns deutlich dagegen aus, dass eventuelle Versorgungsdefizite in strukturschwachen Regionen durch ausschließlich videogestützte Behandlungen aus den Ballungszentren heraus kompensiert werden sollen“, so Benedikt Waldherr, Bundesvorsitzender des bvvp.
Zum einen seien die Praxen in allen Planungsbereichen voll ausgelastet und könnten keine zusätzlichen Kapazitäten zur Verfügung stellen. Zum anderen sei es inakzeptabel, dass Menschen in solchen strukturschwachen Gebieten mit dieser Notlösung abgespeist werden sollten, so der Verband. Erforderlich sei hier stattdessen, dass ausreichend Psychotherapeut*innen vor Ort zugelassen würden.
In diesem wichtigen Punkt stimmt der bvvp dem AOK-Bundesverband zu, der in einer aktuellen Stellungnahme gemahnt hat: Werde der Anteil der Videosprechstunden nicht begrenzt, könne sich in strukturschwachen Regionen die Versorgung vor Ort für nicht digital affine und besonders vulnerable Versicherte verschlechtern. „Der bvvp dankt der Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, Frau Dr. Carola Reimann, für diese klaren Worte!“, so Waldherr.
Auch bestehe bei der unbegrenzten Möglichkeit von videogestützter Behandlung immer die Gefahr der Entwertung der Behandlung im Goldstandard, und die Kommerzialisierung von Behandlungen in Video-Call-Centern ohne Praxis im Hintergrund werde ermöglicht. In diesem Spannungsfeld fordert der bvvp die Beibehaltung der jetzigen Regelungen.
Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten, bvvp, ist der Verband, der sich berufsgruppen- und verfahrensübergreifend für die Interessen aller Vertragspsychotherapeut*innen einsetzt. In ihm haben sich über 5.800 Ärztliche, Psychologische sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen aller anerkannten Richtlinienverfahren zusammengeschlossen.